Wald im Wandel

Zurück zur Übersicht

Der Wald ist wieder im Gespräch. Spätestens im Rahmen des »Nationalen Waldgipfels« im vergangenen Jahr ist das Thema durch die Nachrichtensendungen bis in das heimische Wohnzimmer gedrungen. Dem Wald geht es schlecht – Klimawandel, Feuer und Insektenfraß sind nur einige seiner Stressfaktoren. Wie sieht die Lage im Naturpark aus? »Land in Sicht« begleitete den zuständigen Revierleiter im Stadtwald Beelitz für einen Tag bei seiner Arbeit, um selbst einen Eindruck der Lage vor Ort zu erhalten.

Tibor hat mich gewittert. Obwohl ich noch im Auto sitze. Seine volle Aufmerksamkeit ist auf mich gerichtet. Trotzdem bleibt er ruhig auf seinem Platz an der Einfahrt zur Revierförsterei sitzen – tut so, als wäre alles wie immer. Erst als sein Herrchen die Hoftür aufmacht, wird er aktiv, schnuppert mich gründlich ab und folgt dann dem Hausherrn ins Gebäude.

Martin Schmitt hat sein Büro im Nebengelass des eigenen Hofes. Seit 2005 betreut der studierte Forstingenieur den Stadtwald von Beelitz als Revierleiter. Im Gegensatz zu vieler seiner Kollegen aus der Landesforstverwaltung macht er dies im Auftrag des forstlichen Dienstleistungsunternehmens »Forst-Betrieb-Service«. Verschrieben hat sich das Unternehmen der zukunftsorientierten Forstwirtschaft. Was dies bedeutet, will mir Martin Schmitt heute zeigen. Und Tibor ist auch mit dabei.

Der Stadtwald Beelitz ist rund 1 600 Hektar groß. Damit gehört er landesweit zu den mittelgroßen Wäldern im Eigentum einer Gebietskörperschaft. Ein Großteil dieser Fläche liegt im Naturpark Nuthe-Nieplitz. Innerhalb der Waldfläche liegen die Areale Beelitz-Heilstätten, Teile der Waldsiedlung Fichtenwalde und ein Kasernenstandort. Das Waldgebiet wird zudem durch die Bundesautobahn A9 und zwei Bahnlinien durchkreuzt. Die Nähe zu Berlin und Potsdam macht das Waldgebiet zum beliebten Naherholungsgebiet gestresster Großstädter. Spätestens mit der touristischen Entwicklung des kulturhistorisch interessanten Areals Beelitz-Heilstätten mit seinen historischen Sanatoriumsbauten und dem ergänzenden Baumkronenpfad samt Barfußpark ist das Gebiet auch wieder überregional bekannt.

Vor zwei Tagen hat es hier kräftig geregnet. Die Natur dankt es uns mit einem Farbspiel aus satten Grüntönen. Doch wer genauer hinschaut, erkennt, dass nicht alles so optimistisch ist, wie es erscheint. »Wir hatten vor Kurzem Nachtfröste. Hier in der Schonung sind die Schäden deutlich zu sehen«, schildert Schmitt bei unserer Fahrt durch den Wald die aktuelle Situation und zeigt auf einen eingezäunten Bereich, in dem junge Buchen stehen. Und tatsächlich: Beim genaueren Hinsehen driften die hellen Grüntöne ins Hellbraun ab, je mehr wir uns den Pflanzen nähern. Viele der jungen Blätter zeigen deutliche Frostschäden. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich dabei um schon mehrere Jahre alte oder um frisch gesetzte Jungpflanzen handelt. Die Blätter sind erfroren, die eigentliche Pflanze hat nun mit erheblichem Stress für ihre Versorgung zu kämpfen. Keine gute Ausgangslage, um groß und stark zu werden. »Das sind die täglichen Herausforderungen, mit denen wir hier im Stadtwald zu kämpfen haben«, gibt der Revierförster zu denken. »Viele der Jungpflanzen schaffen es nicht, so groß zu werden, dass ihnen solche klimatischen Ereignisse nicht mehr weh tun. Wir müssen regelmäßig nachpflanzen und kontrollieren. Das kostet Zeit und Geld. Und dieses Geld muss erwirtschaftet werden.«

Diesen wirtschaftlichen Aspekt hat der junge Förster immer im Hinterkopf, wenn er sich entsprechende forstwirtschaftliche Maßnahmen für sein Revier überlegt. Denn eines steht für ihn definitiv fest: Die Monokulturen der Kiefernwälder sind Relikte einer vergangenen Forstwirtschaft – einer Forstwirtschaft, die hier vor Ort vor allem durch entsprechende Reparationszahlungen und die zur damaligen Zeit praktizierte Reinertragslehre geprägt waren. Diese Fehler will er nicht begehen. Er denkt wie jeder Förster in Jahrzehnten und Generationen. Wie gelingt es ihm, diesen Altbestand aus vorwiegend Kiefern für die kommenden Generationen so umzubauen, dass der Wald nicht verloren geht und trotzdem noch einen wirtschaftlichen Wert hat?

Wenige Kilometer weiter steigen wir wieder aus dem Geländewagen aus. Jagdhund Tibor ist mit dabei, er hat sichtlich Spaß, hier herumzustreunen. Diesmal stehen wir auf einer rund 30 Hektar großen Fläche, auf der im Hochsommer 2018 ein Großbrand die angrenzenden Gemeinden Fichtenwalde und Beelitz tagelang in Atem gehalten hatte. Vermutlich hatte eine aus dem Fahrzeug geworfene Zigarettenkippe das Feuer ausgelöst. Aufgrund der Trockenheit des Kiefernwaldes drohte der Brand außer Kontrolle zu geraten. Selbst die teilweise Evakuierung des 300 Meter entfernten Ortes Fichtenwalde stand ernsthaft zur Diskussion.

Vom Brandgeschehen ist jetzt kaum noch etwas zu erkennen. Lediglich wenige verbrannte Altbäume zeigen wichtige Grundstücksgrenzen und Wegmarken an. Auf der bis zum Horizont reichenden Fläche machen sich scheinbar flächendeckend junge Pappel- und Birkentriebe breit. Pappeln und Birken, die nicht von Menschenhand angesät oder gepflanzt wurden. Schmitt zeigt mit seinem Finger auf bestimmte Bereiche am Boden. »Wenn Sie mal genauer hinschauen, entdecken Sie unsere Arbeit. Hier haben wir nach vorheriger Bodenbearbeitung Kiefern ausgesät.« Und tatsächlich – winzige, kaum fingergroße Kiefernpflänzchen versuchen, sich ihren Platz auf der Fläche zu ergattern. »Nach der Aussaat gab es hier einige intensive Starkregen. Die Samen wurden in die Mulden ausgeschwemmt, daher gibt es jetzt in diesen deutlich mehr Kiefernjungpflanzen als ursprünglich gewünscht«, erläutert der Revierleiter. Dabei schaut er gar nicht so unzufrieden aus. Und auf meine Nachfrage ist dem tatsächlich so. »Das Tolle an dieser Fläche sind die wild aufgekommenen Pappeln und Birken. Sie geben den jungen Kiefern viel Schutz, zudem produzieren die Laubgehölze viel Blattmasse, die jedes Jahr zu Boden fällt und zu Humus wird. Und genau das ist es, was wir beim Waldumbau haben wollen: Nährstoffreicher Humus auf diesen äußerst kargen Kiefernstandorten, damit sich auch andere Baumarten langfristig etablieren können. Und diese Pioniere haben uns gar nichts gekostet.«

Unser nächster Halt ist wieder eine ehemalige Waldbrandfläche. Allerdings ist der Brand noch nicht lange her. Auf der Fläche stehen vereinzelt verbrannte Altgehölze, dazwischen finden sich aufgeschichtete Brandholzstapel. »Quasi Totholzstapel«, bezeichnet Schmitt diese Haufen. »Sie strukturieren die Fläche und geben den Tieren und Pflanzen neuen Schutz zu den ansonsten ausgebrannten Bereichen.« Doch das Besondere sind hier die langen, unregelmäßigen Furchen, die das Gelände immer wieder durchziehen – Furchen, die neues Leben initiieren. Ein Rückepferd mit angehängtem Pflug hat hier vor gar nicht langer Zeit diese in den Oberboden gezogen. Darin wurden dann Samen, vornehmlich Eicheln, eingebracht. Noch sind keine Keimlinge zu sehen, aber Martin Schmitt ist sich gewiss: »Das ist einfach nur eine Frage der Zeit und der ausreichenden Feuchtigkeit. Dann werden hier immer mehr Eicheln aufgehen und junge, dem Standort angepasste Traubeneichen bauen eine neue Waldschicht auf. Und das ist viel nachhaltiger und kostengünstiger als Jungpflanzen aus der Forstbaumschule in Klemmpflanzung zu setzen.« Ungewöhnliche Methoden, die der junge Förster da anwendet. Doch mit seiner Idee des Waldumbaus scheint er nicht allein zu sein. Die Stadt Beelitz steht hinter ihm, vergangenes Jahr hat er mit seinen Mitstreitern den »Agenda21- Preis« des Landkreises Potsdam-Mittelmark erhalten.

Wieder geht es weiter, der nächste Stopp ist eine Kiefernschonung. Der Blick hinter den Drahtzaun verrät sofort, was in diesem Stück Forst so besonders ist, dass es eingehegt wird: Unter der dichten Kronenschicht der knapp 70-jährigen Kiefern hat sich eine Strauchschicht gebildet, die den gewünschten Waldumbau ganz wesentlich unterstützt. Denn diese Strauchschicht gewährleistet den entsprechenden Schutz junger Laubbäume, die herabfallenden Blätter zersetzen sich am Boden, verbessern dadurch wesentlich die Qualität des Oberbodens und bieten immer bessere Ausgangsbedingungen für einen Mischwald, der Klimaveränderungen, Forstschädlingen und übermäßigem Wildbestand trotzen kann. In dieser Parzelle hat Förster Schmitt neben der standorttypischen Traubeneiche auch Esskastanien pflanzen lassen. Diese scheinen sich wohlzufühlen, so wie die jungen Pflänzchen jährlich an Austrieb zulegen. Eigentlich gehört diese Baumart nicht zu der für diesen Standort heimischen Vegetation. Aber ihre Trockenverträglichkeit, ihr rasches Wachstum und die Blattmasse als Ausgangsstoff für den wichtigen Humuseintrag macht sie zumindest hier im Beelitzer Stadtwald zum wichtigen Partner in Sachen Waldumbau.

Und noch eine Baumart zeigt sich in dieser Schonung: die spätblühende Traubenkirsche. Sie ist eine der Gewinnerinnen im Klimawandel. Eigentlich stammt die Art aus Nordamerika. Einst aufgrund ihrer guten Wuchsleistung und ihres wertvollen Holzes als »ideale« Baumart angebaut, zählt sie in Deutschland in der Zwischenzeit zu den »Unkräutern« des Waldes, von den Förstern auch »Waldpest« genannt. Sie verbreitet sich invasiv und unterdrückt dabei die anderen Sträucher und Pflanzen. Grund dafür ist ihr Gehalt an Blausäure, die sie vor Verbiss von Wild schützt. Die Ausrottung der Traubenkirsche ist so gut wie nicht möglich, es hilft hier unter anderem nur die mechanische Bekämpfung und die Verdrängung durch Douglasie und Buche. Weil das alles viel Arbeit und Geduld braucht, nutzt Martin Schmitt die Hilfe von Freiwilligen. Diese »pflegen« unter seiner Anleitung ein bis zwei Mal im Jahr ausgesuchte Forstflächen im Rahmen eines Freiwilligeneinsatzes. Dieses Engagement hilft beiden Seiten. Die Freiwilligen sind glücklich, da sie etwas Produktives und Sichtbares getan haben, der Revierleiter ist froh, seinen Jungpflanzen bessere Startbedingungen zu bieten.

Die typischen Kiefernwälder in Brandenburg haben aber noch ein anderes Problem. Der Wassermangel, die steigenden Temperaturen und vor allem die Monokulturen früherer Forstwirtschaft sind extrem anfällig gegenüber Insektenbefall. Martin Schmitt kann davon Geschichten erzählen. Vergangenes Jahr verbreitete sich in seinem Revier und den angrenzenden Waldflächen die Nonne, ein Nachtfalter mit ausgesprochener Fraßvorliebe für Kiefern und Fichtennadeln. Eine einzige Raupe frisst in ihrem Leben rund 200 Kiefernnadeln und beschädigt beim Anbeißen ungefähr die gleiche Anzahl an Nadeln. Dass bei einer Massenvermehrung kein Waldbesitzer erfreut ist, ist jedem sofort klar. Denn innerhalb kürzester Zeit sterben hier Hunderte von Bäumen, ja ganze Waldgebiete fallen den gefräßigen Tieren zum Opfer. Die abgestorbenen Bäume bilden im weiteren Verlauf Einfallstore für Folgeschädlinge, die den forstwirtschaftlichen Wert des Holzes deutlich schmälern.

Die Landesforstverwaltung setzte aufgrund der Schadenssituation chemische Mittel zur Insektenbekämpfung ein. Dies stieß aber auf heftige Gegenwehr von Teilen der Anwohner, regionaler Waldbesitzer sowie Naturschutzverbänden, da diese schwerwiegende Auswirkungen des Totalinsektizids auf Insekten und die Vogelwelt befürchteten. Der NABU Brandenburg klagte gegen die Spritzung aus der Luft und bekam Recht. Die Landesforstverwaltung musste auf wenigen Restflächen im Gebiet ihre Maßnahmen einstellen, auf den Unbehandelten drohte die massenhafte Vermehrung der Nonne samt Schädigung weiterer Forstflächen. Doch genau diese blieb dann aus, da aufgrund der Witterung der Großteil der Nonnenbestände abstarb. Die Kiefernbestände waren zwar geschädigt, aber nicht tot, und können sich Stück für Stück erholen. Nun ist es wichtig, aus diesem Vorgang zu lernen und den Waldumbau hin zu artenreichen Mischwäldern weiter zu intensivieren. Denn nur so gelingt es, die Wälder rund um Beelitz zu erhalten und für die folgenden Generationen als naturverträgliche Wirtschaftsfläche und als Erholungsgebiet zu sichern.

Jagdhund Tibor ist das alles egal. Wir haben uns seiner Meinung nach lang genug mit den kleinen Bäumchen beschäftigt. Jetzt ist er dran. Schließlich ist das sein Revier. Und er ist der heimliche Boss. Ein Ast im Fang sagt eine deutliche Sprache: Spielzeit für mich!

Lutz-Wolfram Reiter, Ö GRAFIK (Beitrag aus der Land in Sicht 2020, die komplette Ausgabe erhalten Sie kostenfrei im NaturParkZentrum am Wildgehege Glauer Tal)

NaturParkZentrum am Wildgehege Glauer Tal

Saisonale Öffnungszeiten für das NaturParkZentrum und das Wildgehege finden Sie hier.

Leckeres aus unserem Regionalsortiment: Kaffee-Spezialitäten aus dem Automaten, Apfelsaft von der Streuobstwiese und Wildwurst vom Wildhandel Griebsch!

Eintritt ins Wildgehege
erfolgt über das NaturParkZentrum

Unsere Eintrittspreise finden Sie hier.

Rabatt mit: Familienpass oder
Trebbin Card

Sie möchten uns unterstützen und das ganze Jahr ins Wildgehege? Hier gehts direkt zum Antrag auf Fördermitgliedschaft (Jahreskarte Wildgehege inbegriffen!)

Hier geht es zu unseren Angeboten fürs Tagen und Feiern.

Glauer Tal 1
14959 Trebbin OT Blankensee
Tel.: 033731/ 700 462
Mail: mail(at)besucherzentrum-glau.de

Anfahrt:
Hier finden Sie Details für Ihre Anreise.

 

   

Öffentliche Toiletten

 

Das NaturParkZentrum und die Glauer Felder sind barrierefrei. Ein Besuch des Wildgeheges ist für Rollstuhlfahrer mit unserem Wattmobil möglich.